Mofa-Namen und ihre Geschichte(n)
Schwalbe, Ape, Zündapp, Hercules
Zur Not tut es auch ein Spitzname
Eines der erfolgreichsten Töfflis aus Italien grüsst mit einem fröhlichen „Hallo“ seine Besitzer und nennt sich daher schlicht „Ciao“. Die anderen Geschwister der Piaggio-Familie hingegen suggerieren Kraft und eine gewisse Aggressivität wie der „Boxer“ oder sie applaudieren sich selbst und heissen daher „Bravo“. Puch weist mit der Namensgebung Maxi auf das maximal mögliche hin: Maximale Qualität, maximales Preis-Leistungsverhältnis, maximaler Fahrspass. Und wenn ein Töffli nur eine Nummer als Geburtsnamen bekommt, dann dauert es nicht lange bis Töfflibuebe und Töfflimeitli dem Hobel einen Spitznamen geben. So geschehen beim MS50-Hödi, der schon bald Stangel-Puch hiess. Oder auch Postler-Moped, Maurerbock oder, ganz charmant, schwarze Sau. Und wer schlau war wie ein Fuchs, der griff zum NSU Fox. Oder zum Superfox. Oder zum Delphin.
Mofa-Namen sind nicht immer Schall und Rauch
Marken- und Produktnamen sind schon so alt wie der Handel an sich. Ab dem 18. Jahrhundert etablierte sich mehr und mehr die Praxis, Produkten einen Namen zu geben. Dabei sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Unternehmen nennen ihre Marke meist schlicht und einfach nach dem Namen des Firmengründers. Das ist auch bei vielen Mofaherstellern der Fall wie zum Beispiel Puch, Piaggio oder Kreidler. Etwas kreativer waren die Nürnberger Mofabauer Hercules.
Von Schnelligkeit und antiken Kraftprotzen
Am 5. April 1886, gründete Carl Marschütz seine Velozipedfabrik Carl Marschütz & Co. So weit, so gut. Familienname ist gleich Markenname. Als aber 1887 dessen Bruder Heinrich in das Unternehmen eintrat, benannten sie die Firma um in die Nürnberger Velozipedfabrik Hercules. Assoziiert man mit dem antiken Helden nicht Kraft und Ausdauer? Beeindruckt uns jemand mit seiner Kraft, dann rufen wir oftmals aus, „ist das ein Herkules!“ Wollen wir nur hoffen, dass die Hercules-Piloten sich nicht Odysseus zum Vorbild nehmen und jahrelang in der Pampa umherirren.
Bergsteiger, fleissige Bienchen und die angriffslustige Vespe
Was haben Bayern, Österreich und die Schweiz gemeinsam? Sie sind alles andere als flach. Kein Wunder also, wenn ein bayrischer Zweirad-Produzent ein besonders steigfähiges Mofa entwickelt. Perfekt geeignet für den alpinen Lebensraum. Und wenn die Werbetexter des Hauses dann noch jubeln, das Hödi hätte die Qualitäten eines Bergsteigers, dann ist auch der Produktname schnell gefunden. Da ist es auch nicht erstaunlich, dass der Zündapp Bergsteiger zwischen 1965 und 1977 zum motorisierten Freund der Gipfelstürmer wurde. Bis heute hält sich der legendäre Ruf des zum Kult-Töffli gereiften Mofas.
Beim italienischen Traditionshersteller Piaggio tragen die Töfflis zwar keine Tiernamen, dafür sind die legendären Roller und Rollermobile nach Tieren benannt. Aus diesem Grund folgt ein kleiner Schwenk zu den Modellen dieser Fahrzeugklasse. Italiens Zweirad-Ikone Piaggio bewies bei der Benennung seiner Roller-Modelle in gewisser Weise hellseherische Fähigkeiten. Denn als Piaggio 1946 den Vespa-Roller (italienisch für Wespe) präsentierte, konnte man nicht wissen, dass das Flügeltier zustechen würde. Aber das tat es und erwies sich als Stachel im Fleisch so manchen Mitbewerbers. Der Vespa-Roller ist bis heute eines der beliebtesten Zweiräder. Aber auch das Rollermobil der Italiener, das Modell Ape, ist legendär. Und obwohl es auf den ersten Blick gar nicht danach aussieht, das Modell Ape ist ein echtes Arbeitstier, sodass der Name, der übersetzt Biene heisst, tatsächlich zutrifft. Bis heute sieht man dieses Rollermobil, wie es als Lieferwagen oder als Transporter fleissig und zuverlässig Lasten befördert.
Der Schweizer Condor
Geflügelte Tiere standen häufig Pate wenn es darum ging, ein Töffli zu taufen. Denkt man bei den Namen Biene und Vespe nicht zuallererst an Freiheit und Geschwindigkeit, so sieht das bei den Töfflis, die nach Vögeln benannt sind schon anders aus. Denkt man an die gefiederten Tiere, dann fallen einem Begriffe wie Ästhetik, Anmut, Geschwindigkeit und Robustheit ein. Alles Attribute, die auch auf so manches Mofa zutreffen. Ein ganz besonders majestätisches Federtier ist zweifelsfrei der Condor. Deswegen ist es auch kein Wunder, dass ein Töffli nach dem grössten Vogel der Welt benannt wurde. Auch wenn es mehr ein Doppelname ist, der auf die Kooperation des Schweizer Unternehmens Condor mit der österreichischen Mofaschmiede Puch zurückgeht. Die Schweizer importierten Mofateile von Puch und bauten daraus Modelle, auf deren Tank der Schriftzug „Condor-Puch“ zu lesen war.
Flotte Vögel – Die Vogelserie von Simson
Frei wie ein Vogel sein. Dieser Wunschtraum stand vermutlich auch Pate bei der Vogelserie des Herstellers Simson, der seine Mopeds in der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR) produzierte. Denn frei war man jenseits des Eisernen Vorhangs nicht. Bei Simson benannte man die Modelle nach Vögeln. Das berühmteste Beispiel ist das Simson Schwalbe-Moped, das 22 lange Jahre den Zweirad-Markt im Osten prägte.
Aber auch Spatz, Star, Sperber und Habicht waren beliebte Modelle im real existierenden Sozialismus. Ab 1964 kamen die zweirädrigen „Vögel“ der VEB Fahrzeug- und Jagdwaffenfabrik Simson Suhl auf den Markt. Simson präsentierte neben dem Dauerbrenner Schwalbe auch die Modelle Spatz und Star. Während das Moped mit dem Namen Spatz von 1964 bis 1970 gebaut wurde und zwischen 2,0 und 2,3 PS leistete, wurde der Star mit seinen 3,4 PS von 1964 bis 1975 produziert. Das 1966 vorgestellte Moped Sperber leistete 4,6 PS und rollte bis 1972 aus Thüringens Vorzeige-Fabrik. Als 1972 der Sperber sein Ende fand, wurde auf dessen Bändern der 3,4 PS starke Habicht aufgelegt, dessen Produktion allerdings bereits 1975 eingestellt wurde.
Den Vogel abgeschossen hatte allerdings das Modell Schwalbe. Das zwischen 3,4 und 3,7 PS starke Moped brachte den Ostblock zum Rollen. Die meisten Schwalben verblieben in heimatlichen Gefilden und wurden nur selten exportiert. Und wenn, dann meist in die sozialistischen Bruderländer. Schade eigentlich, denn das Simson Schwalbe Töffli konnte mit westlichen Vertretern seiner Gattung durchaus mithalten. Man muss sich vergegenwärtigen, dass dieser Hödi 1964 vorgestellt wurde. Dafür war das Modell Schwalbe technisch auf dem neusten Stand der damaligen Zeit. Bei seinem Abschiedsflug 1986 wirkte das Simson Schwalbe-Moped vielleicht etwas altbacken, hässlich war es deswegen aber noch lange nicht. Nicht zu unrecht trug das Simson-Moped seinen flinken Namen.
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Beitragsbild: Hercules von Thomas für https://www.mofainserate.ch/
Puch Maxi N von Samira für https://www.mofainserate.ch/
Kreidler Flory MF23: © Scirocco Scala Wikipedia.de https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/
Hercules M2 : © Niclas Röse Wikipedia.de https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/
Zündapp Bergsteiger Serie 1: © Saoutchik Wikipedia.de https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/
Roter Roller (Vespa): @ Sven adobe.stock.com
Condor Puch von Ro Fo für https://www.mofainserate.ch/
Simson KR51/1 „Schwalbe“: © Stefan Kühn Wikipedia.de https://creativecommons.org/licenses/by/3.0/
Simson Sperber: © Herwig Boetticher Wikipedia.de https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/
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